Goniometrische Gelenkvermessung bei 8 verschiedenen Windhunderassen

 

 

Goniometrische Gelenkvermessung bei

8 verschiedenen Windhunderassen

 

Dr. Andrea Földy, CCRP

 

Private Veröffentlichung 13.8.2023

 

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Einführung

Bei der Goniemetrie handelt es sich in der Regel um ein Meßverfahren zur Bestimmung der Gelenkwinkel. Sie ist im Allgemeinen eine recht einfache, nicht-invasive und kostengünstige Methode. Recht häufig wird sie von Physiotherapeuten und Orthopäden verwendet. Dabei lassen sich der Schweregrad von Gelenkverletzungen recht gut beurteilen. Zusätzlich erhält man auch gute Information über den klinischen Verlauf während einer Therapie. Bei dieser Gelenkvermessung kann man verschiedene Techniken benutzen. Dazu zählen zum Beispiel das Universal-, Fluid- oder Pendelgoniometer oder ein elektronischer Goniometer. Am häufigsten verwendet man das Universalmodel, da es recht kostengünstig und praktikabel ist. Es besteht aus einem 180- oder 360-Grad-Winkelmesser System mit zwei Kunstoff- oder Metallarmen. Im Vergleich zu visuellen oder röntgenologischen Methoden zur Messung des Bewegungsumfangs eines Gelenkes, ist die Gonimetrie sehr zuverlässig. Dies konnte mittels Studien recht gut gezeigt werden. Die Messung mittels Goniometer kann ohne vorherige Sedierung durchgeführt werden und wird von den meisten Hunden und Katzen sehr gut toleriert. Als den passiven Bewegungsumfang (PROM) bezeicht man die maximale Winkelung zwischen antagonistischen Gelenkfunktionen, wie die Flexion und die Extension oder die Adduktion und die Abduktion, die ohne Muskelkraft und – kontraktion durch externe Kräfte ausgeführt wird. Die Informationen, die man mittels der Goniometrie erhält, dienen zur Feststellung von Dysfunktionen im Gelenk, zum Erstellen von Differentialdiagnosen, zur Dokumentation des Fortschrittes während einer Therapie, zur Modifizierung der Behandlung und zur Herstellung von Orthesen.

In der Veterinärmedizin untersuchte man mittels Goniemetrie verschieden Arten. Hier sind zum Beispiel Hunde, Katzen, Kälber, Schafe Pferde und noch andere Arten zu nennen. Besonders bei Hunden kann es zu rassetypischen Unterschieden kommen. Somit konnte in einer Studie bei Greyhounds gezeigt werden, dass die Winkelmessung im Tarsalgelenk rassespezifische Abweichungen aufzeigt. Dabei zeigte sich in der Flexion ein Winkel von 88,7 Grad +/- 15,7 während der Mittelwert bei Nicht-Windhunden in veterinärmedizinischen Fachbüchern zu Physikalischen Medizin zwischen 37 – 40 Grad liegt.

Der Vollständigkeit halber wurden der Muskelumfang vom Unterarm und Oberschenkel genommen und ebenfalls der Mittelwert inkl. Standardabweichung ermittel. Diese Werte sind ebenfalls in die Tabelle eingetragen worden und dienen zum besseren Verständis der erhobenen goniometrischen Vermessungensdaten.

Ziel der vorliegenden Untersuchung und Datensammlung war es, die Gelenke (Schulter, Ellenbogen, Karpalgelenk, Hüfte, Knie und Tarus) von verschiedenen Windhunderassen mittels Goniemetrie zu bestimmten.

 

Materialien und Methoden

Die Erhebung der Daten wurde während der routinemäßigen physiotherapeutischen Untersuchung von Windhunden in der tierärztlichen Praxis von mir selbst durchgeführt. Die gonimetrische Vermessung gehört in der Regel zur Standarduntersuchung und wird bei der Erstuntersuchung durchgeführt. Alle Windhunde waren bei der Untersuchung wach und damit nicht sediert. Die Vermessung wurde in der Regel in Seitenlage durchgeführt. Bei Windhunden, die ein traumatisches Erlebnis hatten und/oder sich nicht hinlegen wollten, wurde zur Reduktion des Stresses bei selbigen Windhunden die Vermessung im Stehen durchgeführt. Um den Wert des Gelenkwinkels zu erhalten, wurden der Scheitelpunkt, der bewegliche und der statische Arm des Goniometers auf spezifische anatomische Referenzpunkte für jedes Gelenk gelegt (Tab.1). Dabei wurde die Flexion (Beugung) und die Extension (Streckung) im Gelenk gemessen. Hier wurde auf die Winkelung der Gelenke in den Gliedmaßen genau geachtet. Zum Beispiel wurde die Flexion im Tarsalgelenk bei vollständig flexiertem Knie durchgeführt. Die erhobenen Werte wurden anschließend in einen speziell angefertigten Patientenbogen eingetragen. Alle erhobenen Daten wurde mittels dem JMP Statistical Software analysiert. Der ermittelte Mittelwert jedes Gelenkes mit seinen Standardabweichungen wurde in Tabellen zu den jeweiligen Windhunderassen eingetragen und zum Vergleich zu den Normwerten von Nicht-Windhunden gesetzt (Tab.2 und 3).

Insgesamt wurden 65 Windhunde, darunter 24 Galgos,19 Whippets, 4 Salukis, 1 Deerhound, 11 Azawakhs, 3 italische Windspiele, 1 Silken Windsprite und 1 Barsoi, goniometrisch vermessen. Es wurden immer beide Seiten vermessen.

In den nachfolgenden Tabellen sind die Mittelwerte der einzelnen Gelenke in Flexion und Extension im Vergleich zu den Standardwerten für „Hunde“ aus dem Buch „Physikalische Medizin, Rehabilitation und Sportmedizin auf den Punkt gebracht“ von Barbara Bockstahler, Kathleen Wittek, David Levine, Johann Maierl und Darryl Millis gegeneinander aufgestellt worden zu sehen. . Sie dienen dazu, dass der Unterschied bei Windhunden deutlicher dargestellt werden kann.

 

 Tab.1 Korrekte Anlage des Goniometers anhand von antatomischen Markerpunkte

Gelenk

Statischer Arm

Drehpunkt

Beweglicher Arm

Schulter

Spina scapulae

Tuberculum majus des Humerus

Epicondylus lateralis majus des Humerus

Ellenbogengelenk

Tuberculum majus des Humerus

Epicondylus lateralis majus des Humerus

Proc. styloideus lateralis der Ulna

Karpalgelenk

Epicondylus lateralis majus des Humerus

Proc. styloideus lateralis der Ulna

Achse des Os metacarpale III-IV

Hüftgelenk

Parallele Linie Zur Verbindung von Spina iliaca dorsalis cranialis und tuber sacrale

Trochanter majus

Epicondylus lateralis des Femur

Kniegelenk

Trochanter majus

Epicondylus lateralis des Femur

Proc malleoleus lateralis

Tarsalgelenk

Epicondylus lateralis des Femur

Proc. malleoleus lateralis

Achse des Os metacarpale III-IV

 

Resultat:

Unterschiede in den Gelenkwinkeln wurden bei Windhunden im Vergleich zu Nicht-Windhunden beobachtet. Der Mittelwert und die Standardabweichung der Gelenkwinkel sind in der Tabelle 2 und 3 zusammengefasst. Anhand der verglichenen Parameter wurden die folgenden Erkenntnisse gewonnen:

  1. Schultergelenk, Ellenbogengelenk und Karpalgelenk: In der Flexion des Schultergelenkes zeigen Windhunde einen höheren Gelenkwinkel im Vergleich zu Nicht-Windhunden, der vermutlich auf die stärkere Bemuskelung der Windhunde zurückzuführen ist. In der Extension zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Windhunderassen und den Nicht-Windhunden

  2. Hüftgelenk, Kniegelenk: In der Flexion des Schultergelenkes zeigen Windhunde einen höheren Gelenkwinkel im Vergleich zu Nicht-Windhunden, der vermutlich auf die stärkere Bemuskelung der Windhunde zurückzuführen ist. In der Extension zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Windhunderassen und den Nicht-Windhunden

  3. Tarsalgelenk: In der Flexion zeigen Windhunde einen deutlich höheren Gelenkwinkel, der zum Teil 2fach Werte, im Vergleich zu Nicht-Windhunden, aufweist. (Tab.2/3 und Graphik 1)

Tab. 2

 

Galgo espanol

Whippet

Saluki

Deerhound

Hunde

Schultergelenk

 

 

 

 

 

Flexion

64,5 +/-10,6

69° +/- 11

60° +/- 9,7

64°

54°- 59°

Extension

164 +/- 6,5

170° +/- 13,4

170° +/- 4,7

178°

164° - 167°

Ellenbogengelenk

 

 

 

 

 

Flexion

44,8 +/- 11,2

43,6° +/-9,9

41,5° +/- 1,9

64°

34° - 38°

Extension

162 +/- 6,3

162,4° +/- 8,7

169,5° +/- 6,8

154°

164° - 167°

Karpalgelenk

 

 

 

 

 

Flexion

43 +/- 6,9

43° +/- 13,9

49° +/- 9,7

66°

31° - 34°

Extension

188 +/- 5,7

186° +/- 10,4

152,5° +/- 6,6

196°

194° - 197°

Hüftgelenk

 

 

 

 

 

Flexion

68 +/- 14

58° +/- 9,3

69°+/- 13,7

70°

48° - 52°

Extension

161,6 +/- 6,5

167° +/- 11,7

164 °+/- 8,8

172°

160° - 164°

Kniegelenk

 

 

 

 

 

Flexion

55,5 +/- 8,5

55° +/- 10,8

56° +/- 6,3

58°

40° - 43°

Extension

162,1 +/-5,4

159° +/ 9,7

164° +/- 8,8

148°

160° - 164°

Tarsalgelenk

 

 

 

 

 

Felxion

79 +/- 8,4

61,4° +/ 12

67,5° +/- 5

78°

37° - 40°

Extension

163 +/- 7,5

157° +/ 12,5

157° +/- 4,8

156°

162° - 166°

Muskelumfang

 

 

 

 

 

Oberarm

14,7cm +/-1,07

12 cm +/- 0,9

12,5cm +/-0,6

20 cm

 

Oberschenkel

38,3cm +/-2,9

32,46cm +/- 3.36

32,2cm +/-1,9

46,5cm

 

Anzahl N

25

19

4

1

 

 

Tab.3

 

Azawakh

Italienisches Windspiel

Barsoi

Silken Windsprite

Hunde

Schultergelenk

 

 

 

 

 

Flexion

67°+/-10

68°+/- 2

80°

76°

54 °- 59°

Extension

163°+/-6

162° +/-2

170°

170°

164° - 167°

Ellenbogengelenk

 

 

 

 

 

Flexion

35°+/- 9

46°+/-2

55°

28°

34° - 38°

Extension

166°/- 4,3

157° +/-8

168°

160°

164° - 167°

Karpalgelenk

 

 

 

 

 

Flexion

34°+/- 8,4

42°+/- 3,46

64°

40°

31°- 34°

Extension

191° +/-6

188°+/- 6

190°

184°

194° - 197°

Hüftgelenk

 

 

 

 

 

Flexion

72° +/- 10

62°+/- 9,24

78°

50°

48 °- 52°

Extension

167° +/- 6,3

165°+/- 13,6

164°

184°

160° - 164°

Kniegelenk

 

 

 

 

 

Flexion

48° +/- 7

54°+/_12

58°

58°

40° - 43°

Extension

154° +/- 8,6

151°+/-12

156°

162°

160° - 164°

Tarsalgelenk

 

 

 

 

 

Flexion

72° +/- 9

56°+/-15,88

60°

70°

37°- 40°

Extension

163° +/- 6

155°+/-6

160°

168°

162° - 166°

Muskelumfang

 

 

 

 

 

Oberschenken

12,9cm +/-1,0

9,0cm +/-0,64

14cm

12cm

 

Oberarm

32,5cm +/-2,7

21cm +/-3,6

36,2cm

32cm

 

Anzahl N

11

3

1

1

 

 

Graphische Darstellung der goniometrischen Vermessung (Mittelwert in Grad°) im Tarsus in Flexion bei 9 verschiedenen Windhunderassen.

 Graphik 1:

 

Schlussfolgerung
Die Goniometrie ist bei Hunden eine nützliche Methode zur Beurteilung des Bewegungsumfangs von Gelenken. Allerdings sollten Windhunde mit ihren rassespezifischen Unterschieden berücksichtigt werden, da die Gelenkwinkel sich von Nicht-Windhunden unterscheiden.

Die Ergebnisse zeigen Unterschiede zwischen der goniometrischen Messung von 8 verschiedenen Windhunderassen zu den Nicht-Windhunden. Dies sollte bei der Anwendung dieses Messverfahrens und dieser Bewertungstechnik berücksichtigt werden, um mögliche Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Die Datenerhebung wird weiter fortgeführt. Änderungen und/oder Erneuerungen der Resultate sind möglich.

 

Refereneces:

  1. Ellis R.G., Rankin J.W., Hutchinson J.R. (2018). Limb Kinematics, Kinetics and Muscle Dynamics During the Sit-to-stand Transition in Greyhounds. Front.Bioeng. Biotechnol, doi.org/10.389/fbioe2018.00162

  2. Nicholson H.L., Osmotherly P.G., Smith B.A., McGowan C.M.; (2007) Determinants of passive hip range of motion in adult Greyhounds, Austr. Vet J., 2007 Jun;85(6):217-21. doi: 10.1111/j.1751-0813.2007.00145.x.

  3. Reusing M., Weber B., Villanova J.; Goniometric Evaluation and Passive Range of Joint Motion in chondrodystrophic and Non- Chondrodystrophic Dogs of Different Sizes, VCOT Open 2010;3:e66-e71

  4. Millis D.L, Levine D.; Canine Reahilitation and Physical Therapy; ed2, St.Louis, 2004, Saunders

  5. Jaegger G, Marcellin-Little D.J., Levine D.; Reliability of goniometry in Labrador Retrievers. Am J Vet Res 2002;63(/):979-986

  6. Bochstahler B., Wittek K., Levine D., Maierl J., Millis D.; Physikalische Medizin, Rehabilitation und Sportmedizin auf den Punkt gebracht. 1. Auflage, 2019, VBS GmbH